Der neue Europabrief ist da Veröffentlicht: 30.09.2013 Die Ausgabe Oktober 2013 finden Sie unter "Weitere Infos hier!". Gern können Sie den Europabrief als PDF- oder Druckversion hier abonnieren.
Der Leitartikel dreht sich bereits um die Europawahl im kommenden Jahr:
"Die übernächste Wahl verspricht spannender zu werden als die nächste am 22. September. Es ist – kein Scherz – die Europawahl im Mai 2014. Ja, die! …" Ausgerechnet "Der Stern", das Magazin, das bekanntermaßen nicht gerade berühmt ist für seine euphorische Europaberichterstattung, leitet so in seiner Ausgabe von Ende August einen Artikel ein, dem er den schönen Titel "Die Europäische Revolution" gibt.Auch ohne an eine Revolution in Europa zu glauben, stehen wir in der Tat mit der kommenden Wahl vor einem Wendepunkt in der Geschichte der EU. Die europäische Politik leidet im Empfinden der Menschen an einem erheblichen Demokratiedefizit, das behoben werden muss.
Wie soll diese demokratische Legitimation – also die Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger – nun entscheidend verbessert werden? Die Idee ist denkbar einfach: Bei der nächsten Europawahl wollen die europäischen Parteienfamilien sich zum ersten Mal auf einen gemeinsamen Spitzenkandidaten verständigen. Vorbild dafür sind die nationalen Wahlen in den Mitgliedstaaten. Für die europäischen Sozialdemokraten aus den 28 Mitgliedsländern wird Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, als unser Spitzenkandidat im Wahlkampf Europa ein Gesicht geben und so für unsere Ideen einer geeinten, sozial gerechten und wettbewerbsfähigen EU werben.
Nach den Wahlen am 25. Mai 2014 wird der Sieger unter den jeweiligen Spitzenkandidaten der europäischen Parteienfamilien dann erstmals versuchen, eine „Regierungskoalition“ im Europaparlament zu bilden und selbst für den Posten des Kommissionspräsidenten kandidieren. Das wäre ein bedeutender Fortschritt zur Verringerung des viel beschworenen Demokratiedefizits europäischer Politik. Artikel 17 Absatz 7 des Vertrags über die Funktionsweise der Europäischen Union aus dem Jahr 2009 macht dies möglich. Dort heißt es: "Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder."
Die Europawahl verspricht also spannend zu werden, nicht zuletzt durch einen wirklich mobilisierenden Wahlkampf, in dem es gelingt, den Bürgerinnen und Bürgern klarzumachen, dass es um echte politische Richtungsentscheidungen geht, die jeden Einzelnen hautnah betreffen. Die derzeit größten Herausforderungen, die nur auf der europäischen Bühne bewältigt werden können, sind die Jugendarbeitslosigkeit und die anhaltende Finanzkrise. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt der wichtigsten kurz- und langfristigen politischen Richtungsentscheidungen.
Leider hat die schwarz-gelbe Bundesregierung in der Vergangenheit versucht, ein im Wesen europäisches und auch globales Problem durch Maßnahmen zu „lösen“, die vorwiegend von nationalem Interesse bestimmt waren. Dies geschah, ohne Rücksicht auf die leidende Wirtschaft im restlichen Europa zu nehmen. Man könnte diese Haltung hart und herzlos, aber notwendig nennen. Doch diese Rechnung geht nicht auf! Deutschland geht es wirtschaftlich insgesamt vergleichsweise gut – noch! Denn die Sache hat einen großen Haken: Unsere Exportnation ist auf kaufkräftige Abnehmer angewiesen. Wenn die Kunden pleite sind – und Deutschland exportiert 60 Prozent seiner Waren in die Europäische Union – dann wirkt sich das früher oder später auf die eigene Wirtschaftsleistung aus. Gerade erst hat das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung seine Prognosen für die deutsche Wirtschaft für das Jahr 2013 deutlich von 0,9 auf 0,3 Prozent nach unten korrigiert.
Gegen die Krise in Europa kann nur eine Politik nachhaltig wirksam sein, die für den richtigen Ausgleich von Haushaltsdisziplin und Konjunkturprogrammen sorgt. Das wird die wichtigste Herausforderung für die neue deutsche Regierung als Schwergewicht im Klub der Staaten der Europäischen Union sein. Weiterzumachen wie bisher ist also keine Option. Die Europäische Union braucht eine Erneuerung und insbesondere eine neue Wirtschaftspolitik mit verbindlichen Zielen und Sanktionsmechanismen für jene, die sich nicht an die Regeln halten. Die unerlässliche demokratische Legitimation erfährt diese Politik durch eine verstärkte Einbindung des Europäischen Parlaments in alle Richtungsentscheidungen europäischer Politik.
Warum ist die Beteiligung an nationalen Wahlen immer deutlich höher als auf europäischer Ebene? Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 lag sie bei mageren 43,3 Prozent, bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 immerhin bei 71,5 Prozent. Das zeigt, dass die Menschen in Deutschland in ihrer großen Mehrheit mitreden wollen, wenn sie das Gefühl haben, dass es um ihre Zukunft geht. Für die Europawahlen im kommenden Jahr muss dieses Selbstverständnis, mitreden zu wollen, aufrechterhalten und gestärkt werden, so dass möglichst viele von diesem Recht Gebrauch machen und zu einer Erneuerung der Europäischen Union aktiv beitragen.
Ihr Norbert Glante |