Europäische Landwirtschaftspolitik
Entwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
Die Landwirtschaftspolitik der EU entwickelte sich aufgrund der Gegebenheiten
infolge des Zweiten Weltkrieges, hauptsächlich wegen der damals
herrschenden Lebensmittelknappheit. Man vereinbarte damals gemeinsame
Ziele: die Produktivität der Landwirtschaft sollte gesteigert werden,
um die Versorgung der Verbraucher mit Nahrungsmitteln zu angemessenen
Preisen sicher zu stellen. Gleichzeitig sollten die Märkte stabilisiert
und ein gewisser Lebensstandard für die in der Landwirtschaft arbeitende
Bevölkerung sicher gestellt werden. Hierzu wurden Maßnahmen
entwickelt, die die Produktionssteigerung förderten und belohnten.
Diese Subventionsmaßnahmen brachten zunächst den gewünschten
Erfolg - die Versorgung der europäischen Verbraucher mit Nahrungsmitteln
war gesichert. Die anhaltende Produktivitätssteigerung führte
aber schließlich zu den berüchtigten Überschüssen
der europäischen Landwirtschaft, weil sich die Subventionspolitik
nicht an der Nachfrage orientierte. Folge: Die Agrarausgaben der EU
stiegen an und auch die Beziehungen zu den Handelspartnern der EU (vor
allem USA, Australien und Neuseeland) wurden getrübt, weil die
Subventionen der EU nach deren Auffassung zu Wettbewerbsverzerrungen
auf dem Weltmarkt führten. Schließlich zeigte sich, dass
die auf maximale Steigerung der Erträge ausgerichtete Produktionsweise
zum Teil erhebliche ökologische Schäden zur Folge hatte.
Subventionsmaßnahmen der EU - zwei Pfeiler der GAP
Unterstützende Maßnahmen der EU erfolgen - nach wie vor -
auf drei Ebenen:
1. Landwirte erhalten Direktzahlungen für bestimmte Produktarten
wie Weizen, Olivenöl, Tabak, Rinder und Kälber.
2. Die EU interveniert, wenn die Agrarproduktionspreise unter ein bestimmtes
Niveau fallen und kauft die Überschüsse. Sie lagert diese,
bis der Preis über die Interventionsgrenze steigt. Die Überschüsse
werden entweder vernichtet, an Märkte außerhalb der EU billig
verkauft oder als Nahrungsmittelhilfe für Drittstaaten verwendet.
Darüber hinaus wird der Absatz bestimmter landwirtschaftlicher
Produkte (z.B. Rindfleisch oder Zucker) außerhalb der EU sicher
gestellt, indem die EU an die Exporteure Ausfuhrerstattungen zahlt.
So wird der Preisunterschied zwischen dem Gemeinschafts- und dem Weltmarkt
ausgeglichen.
3. Die EU hat einen externen Zolltarif, der Agrarprodukte aus Nicht-EU-Ländern
mit einer Abgabe belegt und dadurch deren Preise erhöht.
Diese Maßnahmen, die die Marktordnung bzw. Marktpolitik betreffen,
stellen den "ersten Pfeiler" der GAP dar. Er macht den Großteil
(etwa 90 %) der europäischen Landwirtschaftspolitik aus. Der "zweite
Pfeiler" betrifft die ländliche Entwicklungspolitik. Hierunter
fallen beispielsweise Strukturmaßnahmen und Umweltbelange.
Reformen
Es wurden mehrere schrittweise Reformmaßnahmen ergriffen. Zuletzt
wurden der Agrarpolitik mit den Beschlüssen des EU-Agrarrates vom
Juni 2003 neue Impulse gegeben.
- Konkrete Ziele der GAP sind heute:
Die GAP muss zu einer wettbewerbsfähigen Landwirtschaft führen,
die ohne übermäßige Subventionen in der Lage ist,
auf den globalen Märkten zu bestehen.
- Es muss gesichert sein, dass Landwirte eine angemessene Lebenshaltung
und stabile Einkommen haben.
- Die Produktionsverfahren müssen umweltgerecht sein, dem Tierschutz
Rechnung tragen, die Sicherheit der Erzeugnisse gewährleisten
und qualitativ hochwertige Produkte liefern, wie sie die Verbraucher
wünschen.
- Die Bedeutung der Land- und der Forstwirtschaft für die nachhaltige
Entwicklung des ländlichen Raums muss gestärkt werden.
- Die Politik muss vereinfacht werden und für die europäischen
Bürgerinnen und Bürger verständlicher gemacht werden.
Es muss eine klare Trennlinie geben zwischen Entscheidungen, die auf
Gemeinschaftsebene getroffen werden und solchen, die in den Verantwortungsbereich
der Mitgliedstaaten fallen.
Dies soll mit folgenden Elementen erreicht werden:
- Abkehr von der Förderung der Produktion (Entkopplung der Direktzahlungen
ab 01.01.2005)
- Bessere Förderung der Entwicklungen in ländlichen Regionen
mit Mitteln aus der Kürzung der Direktzahlungen (Modulationen)
- Bindung der Direktzahlungen an Standards in den Bereichen Umweltschutz,
Tierschutz und Lebensmittelsicherheit (Cross Compliance).
Der Kern der jüngsten Reform ist der Einstieg in die so genannte
Entkopplung, also der Idee einer neuen produktionsunabhängigen
betriebs- oder flächenbezogenen Einheitszahlung. Die Entkopplung
gilt für alle produktbezogenen Zahlungen - betroffen sind z.B.
Ackerprämien, Schlachtprämien, Mutterkuhprämien, Milchprämien
und 50 % der Trockenfutterbeihilfe. Konkret bedeutet das, dass die Direktzahlungen
nicht mehr auf die Produktmengen, sondern auf die Anbaufläche oder
pro Tier bezogen werden. Die Entkopplung soll bewirken, dass die Entscheidung
der Erzeuger, welche Produkte sie künftig produzieren, von den
Marktbedingungen abhängt. Effizienz und nicht Massenproduktion
soll künftig den Ton angeben. Unter Modulation verbirgt sich eine
Kürzung der Direktzahlungen. Die eingesparten Mittel werden für
eine verstärkte Förderung von Maßnahmen im Bereich des
zweiten Pfeilers der GAP, also zur ländlichen Entwicklungspolitik,
eingesetzt. Seit 2003 werden die Direktzahlungen in Deutschland um 2
% gekürzt. Ab 2005 werden die Kürzungen 3 %, in 2006 4 % und
jeweils 5 % in 2007 bis 2012 betragen. Die Kürzungen gelten für
Direktzahlungen ab 10.000 €. Cross Compliance bedeutet, dass die
Auszahlung von Direktzahlungen an die Einhaltung bestimmter Vorgaben
aus den Bereichen Umweltschutz, Lebensmittel- und Futtersicherheit,
tierische Gesundheit und Tierschutz gekoppelt ist. Wird gegen diese
Bestimmungen verstoßen, können die Zahlungen reduziert oder
vollständig gestrichen werden.
Fragen und Antworten
Wie wird die GAP finanziert?
Die Ausgaben für die Landwirtschaft werden vom Gemeinschaftshaushalt
der EU finanziert. Hierzu gibt es den Europäischen Ausrichtungs-
und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), der aus zwei
Abteilungen besteht - der Abteilung Garantie und der Abteilung Ausrichtung.
Die Abteilung Garantie finanziert den Großteil der Agrarausgaben:
die direkten Einkommensbeihilfen, die Ankäufe durch Interventionsstellen,
die Lagerhaltungskosten und die Ausfuhrerstattungen. Sie trägt
zur Finanzierung von Agrarumweltmaßnahmen, Aufforstung, Beihilfen
zum Vorruhestand und Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete
bei. Außerdem finanziert sie Maßnahmen zur ländlichen
und strukturellen Entwicklung außer in Regionen mit Entwicklungsrückstand,
für die die Abteilung Ausrichtung zuständig ist. Diese finanziert
in den Regionen mit Entwicklungsrückstand Maßnahmen zur ländlichen
und strukturellen Entwicklung, z.B. Investitionsbeihilfen, Hilfen zur
Niederlassung von Junglandwirten oder Zuschüsse für die Verarbeitung
und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse finanziert.
Wie wird der ökologische Landbau gefördert?
Ökologischer Landbau bedeutet Pflanzen- und Tierzucht nach umweltverträglichen
und artgerechten Methoden ohne Verwendung von künstlichen Düngemitteln,
wachstumsfördernden Hormonen oder Antibiotika, chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln
und ohne Genmanipulation. Nach den geltenden Regelungen kann die EU
Landwirten, die sich zur Umstellung auf den ökologischen Landbau
entschließen, mit Beihilfen die Übergangszeit erleichtern,
in der sie möglicherweise Einkommenseinbußen hinnehmen müssen,
da die Erträge zurückgehen, aber die Erzeugnisse noch nicht
als Erzeugnisse aus dem ökologischen Landbau - zu höheren
Preisen - verkauft werden können.
Wie steht es mit der Produktqualität?
Für bestimmte landwirtschaftliche Produkte wurden Gütezeichen
entwickelt zum Schutz und zur Aufwertung von besonderen Agrarerzeugnissen
und Lebensmitteln. Beispiele: Die geschützte Ursprungsbezeichnung
(g.U.) garantiert, dass Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines
Erzeugnisses in einem bestimmten geographischen Gebiet nach einem anerkannten
und festgelegten Verfahren erfolgte. Dieses Gütezeichen trägt
z. B. der Allgäuer Emmenthaler. Bei der geschützten geographischen
Angabe (g.g.A.) besteht eine Verbindung zum Herkunftsgebiet oder es
handelt sich um ein Erzeugnis mit besonderem Renommee. Ausgezeichnet
hiermit sind beispielsweise die Thüringer Rostbratwurst, Spreewaldgurken
oder Lausitzer Leinöl. Es gibt auch ein Gütezeichen für
ökologischen Landbau. Produkte, die dieses Gütezeichen tragen,
bestehen u.a. zu mindestens 95 % aus ökologischen Erzeugnissen.
Welche Ziele werden mit der Entwicklung des ländlichen Raums
verfolgt?
Die Erhaltung lebendiger ländlicher Gebiete durch die Entwicklung
ihrer Wirtschaft und die Nutzung ihrer besonderen Ressourcen sind prioritäre
Ziele der Europäischen Union. Ziele sind die Stärkung des
Agrar- und Forstsektors als die beiden Stützpfeiler der ländlichen
Gebiete, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen
Gebiete, um Arbeitsplätze und Lebensqualität für die
dort lebenden Menschen zu sichern und die Erhaltung der Umwelt, der
Landwirtschaft und des ländlichen Erbes in Europa.
Wie hilft die EU den Beitrittsländern, ihren Agrarsektor auf
den Beitritt vorzubereiten?
Es sind mehrere Gemeinschaftsinstrumente vorgesehen, um den Beitritt
sowohl für die 10 neuen als auch für die derzeitigen 15 Mitgliedstaaten
der EU erfolgreich zu gestalten. Eines dieser Instrumente ist das Programm
Sapard. Es ist mit einem jährlichen Etat von 520 Mio. € für
den Zeitraum 2000 - 2006 ausgestattet und soll den Beitrittskandidaten
helfen, das Gemeinschaftsrecht im Bereich der GAP zu übernehmen
und Strukturanpassungsprobleme in den landwirtschaftlichen und ländlichen
Bereichen zu bewältigen. Konkret sind das z.B. Investitionen in
den landwirtschaftlichen Betrieben, Verbesserung der ländlichen
Infrastruktur, Aufbau von Erzeugergemeinschaften, Veterinär- und
Pflanzenschutz und die Umwelt und Naturräume schonende Produktionsmethoden
vorgesehen.
Welchen Einfluss hat das Europäische Parlament?
Das Europäische Parlament hat durch seine Berichte und Entschließungen
über die Jahre hinweg zunehmenden Einfluss auf die GAP ausgeübt.
Fragen der Landwirtschaft werden vorwiegend im Ausschuss für Landwirtschaft
und ländliche Entwicklung behandelt. Aber auch der Ausschuss für
Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik beschäftigt
sich mit landwirtschaftspolitischen Fragen. Der wachsende Einfluss des
Parlaments war möglich trotz der Tatsache, dass das Parlament im
Bereich der Landwirtschaft bisher nur beratende Befugnisse hat. Derzeit
liegen die EU-Haushaltsbefugnisse nämlich überwiegend beim
Rat. Der Verfassungsentwurf sieht hier aber eine Änderung vor,
die der Forderung des Parlamentes nach Mitentscheidungsrechten Rechnung
trägt.
Wie ist die Position der SPE?
Nach Auffassung der SPE ist die GAP-Reform notwendig, sie muss aber
sozialverträglich durchgeführt werden. Die Förderung
der Landwirtschaft darf nicht länger eine Förderung der (Über-)
Produktion sein - vielmehr müssen die Landwirte in ihrer Rolle
als Landschaftsschützer unterstützt werden. Die Sozialdemokraten
unterstützen daher die grundsätzliche Abkopplung der Zahlungen
von der Produktion und die Bemühungen um eine verbindliche Modulation,
damit die Beträge aus den Direktzahlungen mit Blick auf die Erweiterung
in den zweiten Pfeiler für die ländliche Entwicklung eingebracht
werden können.
Wir haben dabei folgende Schwerpunkte:
- Es muss eine Verlagerung hin zur Stutzung der Landwirte in ihrer
Rolle als Schützer unserer Landschaften und Lebensräume
erfolgen, indem der zweite Pfeiler der GAP gestärkt wird. Denn
er gibt den Landwirten die Möglichkeit, einen Teil der EU-Agrarzuschüsse
für ländliche Entwicklung zu verwenden.
- Arbeitsplätze müssen gesichert werden.
- Das reformierte Landwirtschaftssystem muss transparent sein und
einen verantwortungsbewussten Umgang mit öffentlichen Geldern
garantieren.
- Es muss sicher gestellt werden, dass unsere Nahrungsmittelherstellungs-
und Sicherheitsstandards auf WTO-Ebene anerkannt werden.
- Gleichzeitig dürfen unsere Exporte nicht die Landwirtschaftstätigkeit
in Entwicklungsländern behindern.